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Beitrag vom 22.03.2013
Mire Kay - A Rising Tide Lifts All The Boats
Julia Lorenz
Sie sind das introvertierte Gegenstück zu den Lichtgestalten des schwedischen Duos "First Aid Kit": Victoria Skoglund und Emelie Molin zimmern sich ein Haus am See und lassen die Gespenster der...
...Kindheit gleich mit einziehen.
"When closing your eyes you will never know where you will end up. Maybe somewhere between the roar of a capital city or beneath a bridge where you can hear the water murmur. You will maybe find a link to your home or to the continent, or you might just find the world of Mire Kay", verraten Emelie und Victoria auf der Website ihres neuen Projekts. Die beiden Musikerinnen, die bereits im Jahre 2002 mit Anna Tomlin und Rebecka Kristiansson ihre erste Band Audrey gründeten, setzen mit ihrem neuen Werk "A Rising Tide Lifts All The Boats" ganz auf die Anziehungskraft des Unausgesprochenen, Verborgenem und Dunklen. Aufgenommen in Malmö und abgemischt von Tom Herbers, der bereits Andrew Birds exzentrischem Kammerpop den finalen Schliff verpasste, reflektiert sich die spröde Schönheit der skandinavischen Landschaften in elf sparsam instrumentalisierten Tracks.
Mit der folkigen Grundfärbung des Albums setzen die lichtscheuen Schwedinnen dabei den Weg fort, den sie mit ihrer 2011er EP "Fortress" eingeschlagen hatten: Der markante Sound von Johan Björklunds Lap Steel Gitarre, Piano, Bass und zarte Percussions spinnen fragile Klanggewebe - für Walls of Sound ist im Hause Mire Kay kein Platz. Im Opener "Beat", der ersten Singleauskopplung, umgarnt die tiefe Cellobegleitung den glasklaren Gesang der Künstlerinnen. "Great Lakes" hingegen wird ganz von intensivem Picking und gespenstischen Chören getragen, die auch die Kindheitserinnerungen in "Winding" lange nachhallen lassen. Im Musikvideo zu "Reverse" scheinen Molin und Skoglund den "Hotel Room" aus dem gleichnamigen Song des Frauen-Duos Smoke Fairies geplündert und von Blumentapeten und Tageslicht befreit zu haben: In einem verlassenen Haus frönt das Duo - standesgemäß in eisigen, verblassten Farben - seiner musikalischen Melancholie, während der Track mit experimentellen akustischen Arrangements seinen düsteren Sog entfaltet.
Das umfassende Thema von "A Rising Tide Lifts All The Boats" ist laut Emelie Molin nicht einfach in Worte zu fassen. "Aber ich denke", ergänzt sie, "die meisten der Stücke haben etwas gemein, und das ist ein dunkler Farbstich, und irgendwo mittendrin ist doch Hoffnung zu finden. Liebe und Verlust spielten eine besondere Rolle beim Erzählen dieser Geschichten. "
Hoffnung in der Tristesse? Das kommt uns sehr gelegen.
AVIVA-Tipp: Der Winter dauert von jetzt bis immer. Und zwar nicht nur in Berlin, sondern auch im Klangkosmos der Schwedinnen von Mire Kay: Statt sich aus dem beträchtlichen Fundus der Folk-Klischeekiste zu bedienen oder öffentlichkeitswirksam die drolligen Indie-Mädels aus dem Norden zu geben, inszeniert sich das Duo sperrig und unterkühlt. Ihren Kompositionen steht das schwere Gewand gut zu Gesicht. Bei aller Zerbrechlichkeit und Sensibilität beweisen die Künstlerinnen Haltung und Mut zur Schwermut. Niedlich geklimpert wird woanders.
Zu den Künstlerinnen:
Mit ihrer Indie-Pop-Band Audrey sind Cellistin Emelie Molin und Gitarristin Victoria Skoglund bereits seit über zehn Jahren im Musikgeschäft. Im Jahre 2006 nahm das Quartett das Album "Visible Forms" sowie eine Split-EP mit David Pajo auf, nachdem sie 2005 auf ihrer ersten großen Tour Fans in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und England begeistert hatten. Im Jahr 2008 erschienen die EP "Big Ships" sowie das Album "The Fierce and The Longing", die vorerst letzten Veröffentlichungen der Band. Seit 2011 sind Molin und Skoglund unter dem Namen Mire Kay aktiv.
Mire Kay
A Rising Tide Lifts All The Boats
Tenderversion/Alive, VÖ: 28.03.2013
Weitere Infos unter:
www.mirekay.com und www.facebook.com/mirekay
Videos
"Reverse"
"So You Learned"